Donnerstag, 21. November 2013

Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray

Gelungene Umsetzung des Dekadenz-Klassikers in der Theaterwerkstatt Würzburg


Der Inhalt

a) Rahmen

Ein Reporter eines Londoner Upperclass Magazines kommt zur Mutter der jung verstorbenen Schauspielerin Sibylle, um sie nach Einzelheiten und intimen Details eines gewissen Dorian Grays zu befragen. Unsympathisch finden sich beide zunächst, dann beginnt die Mutter, selbst Schauspielerin gewesen, aber doch zu erzählen, und man erfährt, was es mit dem Mysterium um den verführerischen Schönling Dorian Gray und der verstorbenen Tochter auf sich hat.

b) Geschichte Dorian Grays

Dorian Gray, von Natur aus schön, wird in die Londoner Upper Society eingeführt. Aufmerksam auf ihn wurde der Künstler Basil Hallward, den mephistophelischen Verführer spielt Henry, die restlichen Figuren des Stücks sind streng betrachtet Opfer und/oder Kulissen für die (Schand-)Taten Dorian Grays. Angeleitet zum hemmungslosen Hedonismus macht sich Dorian wie Faust auf Entdeckungsreise im dekadent-gelangweiltem London und verführt eine Schauspielerin.
Die schöne Sibylle trinkt Blausäure, Dorian packt sein Gewissen, woraufhin er verspätet in einer Affekthandlung Hallward ermordet, eine Leiche verschwinden lassen muss, usw.
Am Ende holen ihn die Furien ein: sein zernagtes, überstrapaziertes Gewissen zerreisst Dorian. Er sticht auf das Bild ein und...das verrate ich jetzt natürlich nicht.

c) Form
Eine Rahmenhandlung, in die eine "unerhörte Begebenheit" eingearbeitet ist - das sind die klassischen Zutaten einer Novelle. Eine dieser besagten Besonderheiten, ist die Tatsache, dass Dorian nicht altert. Das übernimmt ein Gemälde für ihn, ebenso wie es alle Verstöße gegen Tugend und Moral auf seine Kappe...pardon...Leinwand nimmt. Dorian bleibt schön auf Kosten des dahinfahrenden Gemäldes. Wäre dies auch nicht der Fall, hätte Oscar Wilde einen klassischen Gesellschaftsroman über die dekadente Dandygesellschaft des fin de siècle in London geschrieben.


Die Umsetzung

a) Schauspiel

Das Schauspiel war insgesamt ordentlich. Besonders gut spielten Dorian Gray (Moritz Vielstädte), Sibylle, Sir Henry und die Mutterfigur ( alles tragende Figuren, die die Handlung vorantreiben). Die andern Schauspieler spielten solide mit Stärken und Schwächen, insgesamt kann man sich aber nicht - bis auf die zu dünne Stimme von zwei Schauspielerinnen - Nebenfiguren - beschweren. 
Besonders gut hat mir das einfühlsame Spiel von Moritz gefallen. Er beseelt Dorian glaubhaft: bildschön und dann bisweilen skrupellos brutal, angreifbar und dekadent, und doch verletzlich und reflektierend, fast schon zart. Mimik, Gestik, Raumverteilung - alles in einem gesunden Gleichgewicht und ausstrahlungsstark. Intonation: kräftig, gut verständlich und mit eigener Note. Im Vergleich zur Darstellung in "Nichts" sehr viel ausdifferenzierter. 
Henry wurde ebenfalls sehr gut gespielt. Konnte man am Anfang noch vieles auf die dankbare Rolle schieben, kam die Stärke des Spiels dann spätestens im zweiten Akt zum Vorschein. Ebenfalls eine sehr gute, facettenreiche und ausgereifte Intonation, ein souveränes und anschließendes, auf das andere auf der Bühne Geschehende, aufmerksames, achtsames Spiel. 
Basil bisweilen in der Overacting-Schule der Theaterwerkstatt / Werkstattbühne steckengeblieben. Ansonsten aber auch solide und sehr viel stärker im zweiten Akt.  
Sibylle: spielt mehrere Figuren - das ist ein bisschen schade: das selbe Gesicht in mehreren Rollen spielen zu sehen, hätte nicht sein müssen, da sie als Sibylle bereits sehr gut passt. Auch hier eine klare, schöne Stimme mit einer starken, differenzierten und  kräftigen Intonation. 

b) Die Inszenierung

Abwechslungsreiche Rhythmik. Drohte das Spiel anfangs Längen zu beweisen durch die doch recht einfach gestrickte Narrationstechnik und das klassisch - inszenierte, also nicht verfremdete, performative sondern rein darstellende Spiel, so machte die Regie doch sehr viel draus:  Maskenszenen sind hervorzuheben, in denen die Dekadenzgesellschaft dargestellt wird, und auch die beiden Erzähler des Stücks die lineare Gestaltung aufbrechen, indem sie ebenfalls auf die Hauptbühne geschickt werden, Traumsequenzen, Dialogsequenzen und "Massenszenen" mit immerhin sechs bis sieben Figuren auf der Bühne, eine Jagdszene, Abgänge die nicht mit dem Abgang enden, sondern  fortgeführt werden durch im off gesprochene Worte ("Butler, spann den Wagen an. Ich möchte, dass Alan geholt wird") und dann nochmal (!) auf der Bühne weitergehen, unterschiedliche Szenenlänge und Anderes hielten das Stück auf Trapp. Dass die Schauspieler bereits auf die Bühne kamen, während die Rahmenhandlung noch gespielt wurde fand ich auch gut, weil so unnötige Längen verkürzt wurden. 

c) Scenographie

Postkartenentwurf von Egon Schiele
Das Bühnenbild war sehr gelungen: Zwei große goldene und opulent verzierte Gemälderahmen, einer aufgehängt, der andere auf einer Bank,  und ein kleinerer Goldrahmen in der Mitte schräg an der Wand befestigt, alle im Porträtformat aufgehängt, sonst nichts. Eine abstrahierende Reduktion, also, und eine gelungene. Die Bildtransformation Dorians vom Schönling zum Scheusal war sehr gut mit Photoshop gelöst und referierte gut auf die "No Wonder our perception of beauty is distorted" - Kampagne von Dove.
Und das Allerbeste: die Kostüme. Jede Figur hat natürlich ein eigenes. Aber da Dorian die Hauptfigur ist, um die sich alles dreht, musste er auch vom Auftreten und den Kostümierungen der Höhepunkt des Stücks sein. Eine einfache Überlegung, die die meisten andern Würzburger Bühnen, auch die Profis, wohl noch nie hatten. Dort reicht ein Kostüm für ein gesamtes Stück. Höchstens gibt es einmal das Abranzen von einem piccobello-Helden zum Gossenmann (wie z.B. der König in King Lear des Mainfrankentheaters). Hier also der große Pluspunkt der Theaterwerkstatt: Da steckt richtig Arbeit drinnen, Dorian in jeder Szene in ein neues Outfit zu stecken. Und das wird belohnt!
Die Outfits selbst - das natürlich Geschmackssache - aber für mich eine Augenweide. Maßgeschneidert und gekonnt zusammengestellt. Dorian trägt meißt hautenge anliegende, bis zum Knöchel verkürzte Lederhosen, darunter Lackschuhe. Darüber bunte Hemden zusammen, mit oder ohne Jacket, sich sehr gut ergänzend und mit tollem Fall, manchmal auch ein golden bestickter, schimmernder Hausrock à la Klimt - das war grandios in Szene gesetzter Narzissmus!

Vom Stil her konnte man an Gustav Klimts Jugendstil, die Verzerrungen von Schönheit Egon Schieles, die Kostümierungswerke der Stilikone Eiko Ishioka und - das mag nun kontrovers sein -  auch ein klitzekleinwenig an Bill von Tokyo Hotel denken. Liebe, Einfühlung und Talent steckt in jedem Kostüm und das merkt man. Sie geben dem Stück den Rahmen, das Ambiente und den Stil. Mille gracias!

Fazit

Die Einzelkomponenten Scenographie, Schauspiel und Musik (viel Chopin und gut gewählte Synthieflächen) verschmelzen zu einem jungen, durchaus sehenswerten Stück.  Anschauen!

(Hier eine Kritik aus der Mainpost)





Freitag, 15. November 2013

J. Eight

https://soundcloud.com/jpointeight/j-eight-soundtrack-demo-05

Jede einzelne Spur strebt so dermaßen nach Freiheit!
Es ist, als würden sie alle drei Sekunden anlaufen und dann losfliegen wollen! Fresh!