Samstag, 23. Februar 2013

Bond - Skyfall (2012): Kleider machen Leute

Im neuen Bond bleibt alles beim Alten: Verfolgungsjagden, Prügeleien, Ballerein und gewitzte Gespräche, die sich filigran und filigraner um einen Rachefeldzug entwickeln. Das zum einen, zum Alten. Im neuen Bond geht es zum andern aber auch viel um Macht. Darüber, wie man sie bekommt und darum, wie man sie erhält. Die Art der Kleidung ist Mittel davon. 

Kleider machen Leute - M's Machterhalt funktioniert vor allem durch ihre makelloses Auftreten und - ihre makellose Kleidung. (witzig hier auch: Wie der Herr, so d's Gscherr) 
M. (Judy Dench) M. befindet sich im Kreuzfeuer. Erst in dem der Aufsichtsbehörden, dann in dem ihrer Feinde. Auffällig ist vor allem, wie M. ihre Position durch makelloses Auftreten verteidigt. Und das liegt zum großen Teil an ihrem Kleidungsstil: Machtkleidung. Was wäre sie ohne ihre Kleider? Klein, gebrechlich und wehrlos. "Sind Sie verletzt?" - "Nur mein Stolz. Schießen war noch nie meine Stärke." Sie hätte ihre Tage, aus sie muss kacken usw. "Des Kaisers neue Kleider"


Bei Vertiefungswünschen eine Bourdieu-Nachfolgestudie in der Rezension




Donnerstag, 21. Februar 2013

Bruce Will(e)S: "Die Hard"

1988 - Stirb Langsam - Die hard erblickt das Licht der Welt (John MacTiernan)


Inhalt
Eine Gruppe westdeutscher Terroristen stürmt am Weihnachtsabend ein mehr als 40-stöckiges Hochhaus, um dort an Wertpapiere im Wert von mehr als 600 Millionen Dollar zu kommen. Sie haben die Rechnung ohne den New Yorker Polizisten John McClane, der seine Familie zu Weihnachten in LA besuchen möchte.

Kommentar
Hartes Actionspektakel nach Männergeschmack: Einsamer Mann muss McGyver-Bastelfreude und Ideenreichtum beweisen, um allein gegen alle durchzukommen und am Ende gegen das Böse zu triumphieren.
Der Film nimmt sich nicht allzu ernst - immer wieder wird die Oberfläche des harten Actionfilms durch humorvoll durch Selbstironie oder Slapstick-Gags durchbrochen. Das tut dem Film gut. Außerdem sollte man ihn unbedingt auf Englisch anschaun. Nicht schwer verständlich bereitet das schlechte Deutsch der Terroristen ebenso wie ihr deutscher Akzent im Englischen nicht nur Bruce Willis Gelegenheit für einige Lacher. In diesem Sinne also Anschauungsempfehlung. "Get on the roof, Hans".

Freitag, 15. Februar 2013

Sturm und Drang

Goethe formulierte in seiner "Rede zum Shakespeare-Tag" folgende Aussage:

"Ich zweifelte keinen Augenblick dem regelmäßigen Theater zu entsagen. Es schien mir die Einheit des Ortes so kerkerlich ängstlich, die Einheit der Zeit und der Handlung lästige Fesseln unserer Einbildungskraft." 

Diese Aufbruchsprogrammatik lässt sich in zwei weisen interpretieren: Zum einen beschreibt sie das Aufbrechen mit der Regelkonformität. Zum andern wird kann man das Aufbrechen im Sinne von "neue Wege beschreiten" verstehen. Den Kompass dafür liefert den Sturm&Drängern die eigenen Originalität, der Glaube an die naturgegebene angeborene Schöpferkraft. Kant definierte das Genie als "angeborene Gabe mit der die Natur der Kunst die Regel setzt".

Sonntag, 10. Februar 2013

Goethe Iphigenie auf Tauris (1779 / 86)

Feuerbach - Iphigenie
Inhalt: 
Iphigenie ist seit 10 Jahren bei den Taurern, einem Volk, das aus Sicht der Griechen, barbarisch ist, als Tempelpriesterin der Diana beschäftigt. Der König der Tauren, Thoas, wünscht sie sich zur Frau. Ihr Bruder Orest und dessen Freund und Cousin Pylades treffen auf Tauris ein, und wollen dort die Statue der Diana aus dem Tempel entwenden.  Sie werden gefangengenommen, Iphigenie hätte die Aufgabe, sie zu opfern - was der König auch als eine Art Druckmittel gegen ihre Unerreichbarkeit benutzt. Für Orest, Pylades und Iphigenie bietet sich die Gelegenheit zur gemeinsamen Flucht von der Insel. Doch Iphigenie ergreift die Gelegenheit nicht sofort. Ihr Gewissen gebietet ihr anderes zu tun, denn sie fühlt sich Diana als Priesterin und Thoas wegen seiner Gastfreundschaft verpflichtet. Im fünften Akt kommt es schließlich zur Aussprache zwischen den Charakteren und die Geschichte findet einen guten Ausgang: Thoas lässt die Griechen, nach einer Unterredung mit ihnen, in die Heimat segeln. 


Form:
Genus grande, viele Euphemismen und Direktübersetzungen aus dem Griechischen, "übernatürliche" Sprache "aber nicht außernatürliche". Gefasster, als in der Realität, eloquenter als in der Realität und würdevoller als in der Realität treten insbesondere Iphigenie und Thoas auf. Goethe benutzt den Blankvers. Da bereits 1779 eine sogenannte Prosa-Fassung von der Iphigenie existierte, liegt mit der Ausgabe, über die ich rede, "nur" eine Überarbeitete Fassung vor. Die Verse wurden unter mithilfe von Herder und unter der Schwierigkeit ihnen "unter dem Joch des Verses nicht das Gnick zu brechen" (Goethe in einen Brief an Herder) also umgeformt, reogarnisiert und klassizistischer Verpflichtung gemäß aufgewertet. Auffällig ist auch, dass die Figuren angepasst an ihre aktuelle Situation sprechen. Zwar ist der Blankvers definitiv dominierendes Versmaß in dem Stück, doch in Erregungszuständen der Figuren wird dieses Versmaß auch verlassen. (z.B. Iphigenie: "Es fürchte die Götter / das Menschengeschlecht" -> xúu xúu / xúu xx , oder der "Wahnsinnsmonolog" Orests)
Es handelt sich um einen klassischen Fünfakter mit Exposition, erregendem Moment, Höhepunkt, retardierendem Moment und Lösung. Wobei hier problematisierend angegeben werden kann, dass das Stück durchaus mehrere Höhepunkte aufweist. Diese sind zum einen das Wiedererkennen Orests und Iphigenies, zum andern aber auch das Eindringen Orests, mit gezogenem Schwert, in das Gespräch zwischen Thoas und Iphigenie im 4. Akt. 
Die Form folgt den Gestaltungsprinzipien der Klassik, die die griechischen Formvorgaben Horaz neu entdeckt und auf den zur damaligen Zeit beliebten Iphigeniestoff angewendet werden: Das Stück ist ganzheitlich. Es hat einen klaren Anfang und ein klares Ende. Es ist Schlicht und Überschaubar: nur fünf Personen handeln, die Handlung folgt einer stringenten Ausgangssituation und läuft klar auf eine Zielsituation hin. Das Drama gehorcht dem Prinzip der klassizistischen Dämpfung hoher Affekte und Emotionen und schließlich kann es als musterhaft gelten. 

Interpretation:
Die wissenschaftliche Interpretation ist diejenige, die Konflikte aufgezeigt, die Figuren beschreibt und charakterisiert, ihr Verhalten und ihre Charakterdisposition durchleuchtet, die den Aufbau hinterfragt und in der Regel am Ende die Mehrdeutigkeit des Textes hervorhebt.
Darum geht es mir gerade aber nicht. Vielmehr frage ich mich, inwieweit der Text tatsächlich musterhaft ist, inwieweit er sich auf die reale Lebenswirklichkeit bezieht, oder bezogen werden kann. Der Text geht tief und er berührt mich auf eine ganz sonderbare Art und Weise. Ich bin weder gerührt von ihm noch schockiert oder zitternd. Mag sein, dass ein Grund dafür ist, dass ich nicht mehr der naive Leser bin, der nur textimmanent auf die doktirnengleichen Verse blickt und der Meinung ist, dass jede Zeile vor dem Aufeinandertreffen des Lesers mit der Realität zu ihrer Wirkung gebracht werden muss.  Denn die Realität ist anders und sie war auch damals anders. Mit andern Worten: Goethe hat einen Text geschrieben, der weitaus humanistischer ist, als er selbst es jemals war. Denn mitnichten: ich kann die sozialhistorische Perspektive nicht mehr ausblenden: dass da ein paar Privilegierte 1786 abgeschottet von der sozialen Wirklichkeit, bzw. genauso von Frondiensten, Steuerfreiheit, absoluter Gerichtsbarkeit und ähnlichen Herrschaftsrechten des ancien regimes finanziert ihre selbstschmeichlerischen Sozialphantasmen auslebten (Carl August hat ja selbst in der Uraufführung den Thaos gespielt), Todesurteile unterzeichneten und Kaffee schlurften, anstatt konkret den ganzen Staat zu veredeln und nicht nur die höfische Repräsentationskultur. Eben das würde mich interessieren: welche Reformimpulse gab  Goethe an welche Zielgruppe hinaus? War er ein Volksheld? Als Sturm- und Dränger ja, aber war er es auch noch als Minister und Beamter?
Und ganz pragmatisch gesehen: König Thoas handelt aus seiner Wortverpflichtung heraus, als er Iphigenie und die Griechen ziehen lässt. In der Exposition gab er ihr das Versprechen sie gehen zu lassen, wenn sich die Gelegenheit ergeben würde. Iphigenie nagelt ihn an seinem Wort fest. Albrecht Mayer findet das, so scheint es, garstig und zuviel verlangt. Eben das mache die Iphigenie so verteufelt humanistisch. Ich dagegen frage mich, inwieweit ihre Verbindlichkeitsforderung, also ihr Beharren....ihr in ihren Charakter versenktes Verlangen nach Worttreue nicht tatsächlich der Ausgangspunkt allen zwischenmenschlichen Handelns sein muss? Nicht umsonst lernt man immer wieder, dass Kommunizieren und "richtiges" Kommunizieren (nach Grices Gesprächsmaximenmodell) das A und O aller zwischenmenschlichen Beziehungen sein muss. Also deswegen kann ich hier nur ganz persönlich empfindend sagen: Bitte . haltet. euer . Wort.

Intertextuell:
(Und wo wir gerade bei Klassik sind: die Gesprächsszene aus Schillers Maria Stuart (1800) zwischen Maria und Elisabeth kann geradezu als Gegenbeispiel zur gelungenen, humanistischen Kommunikation Iphigenies mit Thoas herangezogen werden.)