Mittwoch, 26. Dezember 2012

Im Plattenregal unserer katalunischen Nachbarn

Im November war ich eine Woche mit meinem Freund Friedie mit Rucksack, Skateboard und Radio zwischen Barcelona und Tarragona unterwegs. Dort trafen wir auf soviel Neuartiges, machten soviele Entdeckungen und Impressionen, von denen ich nur zwei hier festhalten möchte. Sie betreffen beide die Musik, die wir angetroffen haben.

Zum einen empfahl uns ein älterer Herr und Autofahrer, der uns von Castelldefell nach Calafell in Katalunien beim Trampen einen Lift gab Isabel Pantoja: Yo soy esta (Dies bin ich). Zwischen Opernarie und Seelenoffenbarung, Kitsch und Nationalpathos,  singt diese opulente Dame ihre Identität in tiefer Theatralik, großer Geste, mit großem Stolz und großem Schmerz in das Publikum hinein.


In Tarragona waren wir mit dann Carla weg. Eine Biologin, die an der Purifizierung von Wasser arbeitet. Hochspannend. In einer der Kneipen, in denen wir landeten, lief nur Surfrock. Aufgelegt wurde mit Platten. Ein Plattencover musste mir ins Auge springen: Los Pioneros del Rock. Was für ein Name. Was für eine Band:


Impossant war vielleicht noch zum dritten eine lokale Trommelgruppe, die auf dem Platz am Fuße der Treppen zur alten Universität in der Altstadt ihre wöchentliche Trainingseinheit absolvierten. Unbezahlbare, unreproduzierbare Folklore. In Würzburg undenkbar. Dort schöne, bunte, gelebte demokratische Realität.
Wunderbar, wie viel es in der großen weiten, nichtdeutschsprachigen Welt zu entdecken gibt!

Dienstag, 18. Dezember 2012

Schillers Don Carlos - Intrigen am Hof


Alba, Philipp und Domingo

1787 wurde Schillers Jugenddrama "Don Carlos, Infant von Spanien" uraufgeführt. Es geht darum um einen Vater-Sohn-Konflikt gewaltigen Ausmaßes in den der Plutarch-Leser noch einiges an zeitgenössischen Gedankengut versenkte. Die Werkstattbühne brachte das Historiendrama sehr werktreu auf die Bühne. 

 

1. Ausgangssituation, Grundkonflikte und Nebenkonflikte

Philipp II. regiert mit eiserner Hand über ein Imerpium. Die Mutter des Thronfolgers - Don Karlos - starb bei dessen Geburt, der König vermählte sich mit der hübschen französischen Königin  Elisabeth de Valois. Die Trauung und der Umzug der französischen Prinzessin sind noch nicht lange her, als sich die Region Flandern gegen die Fremdherrschaft auflehnt. Dies ist die Ausgangssituation des Dramas, in das Schiller drei wesentliche Konflikte einbaute: 

1. eine unmögliche Liebe: Don Carlos ist in die Königin, seine neue Stiefmutter und die Frau seines Vaters, verliebt.
2. zwei Arten zu regieren: Philipps Politik baut auf Unterdrückung sowie Kontrolle durch Angst und Bestrafung. Carlos dagegen träumt von einer Regierung, die auf Vertrauen, Schonung und Offenheit gegenüber den Unterthanen ausgelegt ist. Eiserner Despotismus trifft also auf aufklärerische Tugendherrscher-Ideale
3. Staats-, Politik- und Machtkalkül, Strategie und Intriganz trifft auf Wahrheitsliebe, Sturm und Drang und Empfindsamkeit.

Zu diesen drei Hauptkonflikten, die das "dramatische Knäul" der Handlung liefern kommen noch Seitenverstrickungen hinzu: 
Elisabeth und Eboli
Zum einen Vertrauen und Verrat seitens Posas und Carlos, die Jugendfreunde sind und Posa steht in der Schuld Carlos. Zum andern die Unentschlossenheit der Königin als Frau oder als Diplomatin aufzutreten (im Übrigen scheint es mir unklar geblieben zu sein, ob, wie und auf welche Art und Weise sie Don Carlos liebt). Außerdem spielt auch ein Eifersuchtsdrama eine wesentliche Rolle, die zum dramatischen Untergang des Infanten beiträgt: Prinzessin Ebolie verliebt sich in Carlos und macht ihm den Hof. Als dieser sie abweist, wittert sie die verbotene Liebe und tut alles erdenkliche, um Beweise für das Liebesverhältnis in ihre Finger zu bekommen, die sie dem König zuspielen möchte. Liebe ist in Hass umgeschlagen.
Schließlich sei am Rande noch erwähnt, dass auch die Machtbulereien der Vasallen des Königs, seiner Marquise, eine Rolle in dem Stück führen. Triebfeder aller Handlungen des Herzogs von Alba ist sein Bestreben, die rechte Hand des Königs zu sein und zu bleiben. Ähnlich scheint es mit Domingo zu sein, der nur in der Gunst des Königs bleiben und steigen möchte. 
Insgesamt entsteht so ein familiäres Beziehungsdrama im Dunstkreis der Macht am spanischen Hof. 

2. Die Figur des Carlo: Fehlen der "Ziviliserung" nach Kant ?

Hamartia des Hauptprotagonisten, Karlos, ist sein Überschwang. Seine Motive sind gut - dementsprechend genießt er die Sympathie des Zuschauers - doch die Art und Weise ihrer Umsetzung stellt das Drama durch seinen katastrophalen Ausgang in Frage. In das Stück sind viele Werte der aufklärerischen Erziehungsphilosophie Rousseaus und Kants eingearbeitet. Da Schiller selbst begeisterter Kantrezipient war, und der Schriftsteller viele seiner theoretischen Gedanken in das Reich der Literatur sprachlich herausgeputzt transferierte, lohnt es sich Karl einmal durch die Brille der pädagogischen Philosophie Kants zu betrachten.

IMMANUEL KANTS Bildungskonzept (nachzulesen in der Schrift "Über Pädagogik") zielt auf Autonomie und Mündigkeit. Der  mündig und autonome Mensch muss sich selbst (nach Disziplinierung, Kultivierung und Zivilisierung) dazu entschließen das moralische Gesetz als seine lebensregierende Maxime anzuerkennen. Dazu dient ihm ein Leben nach dem kategorischen Imperativ. Karlos ist ein Vertreter dieser moralischen Bildung. Er setzt sich über die geltende Moral hinweg und stellt ihr eine eigene, philosophisch autonome und herzgegebene Moral entgegen. Innerhalb der Stufen der Erziehung nach Kant hat er also die Stadien der Disziplinierung, der Kultivierung und der Moralisierung erfolgreich durchlaufen. Allein ein Manko haftet dem Charakter an, um aus dem bestehenden System herausgeworfen zu werden: 

Durch die Disziplinierung soll die menschliche Wildheit bezähmt werden. Durch die zweite Aufgabe der Erziehung, die Kultivierung, soll der Mensch Geschicklichkeit "zu allen beliebigen Zwecken"
erlangen (z.B. ein Brotmesser zu gebrauchen, eine Holzgrippe zu schnitzen, etc.), während die dritte Aufgabe, die Zivilisierung, den Menschen klug machen soll, was bedeutet, daß der Mensch " ... Manieren, Artigkeit und eine gewisse Klugheit [erlernt], der zufolge man alle Menschen zu seinen
Endzwecken gebrauchen kann" (Päd Bd. XII, A 24). Dies nennt Kant auch die Herausbildung der "pragmatischen Anlagen" des Menschen. Die letzte und entscheidende Aufgabe der Erziehung, die Moralisierung, weist über die vorangegangenen hinaus. "Der Mensch soll nicht bloß zu allerlei Zwecken geschickt sein, sondern auch die Gesinnung bekommen, daß er lauter gute Zwecke erwähle. Gute Zwecke sind diejenigen, die notwendigerweise von jedermann gebilligt werden; und die auch zu gleicher Zeit jedermanns Zwecke sein können" (ebda. A 24).

Betrachtet man diese aufeinander aufbauenen Bildungsstufen und überträgt sie auf Carlos, so wird klar, dass ihm eine der pädagogischen Fähigkeiten vollkommen charakterfern ist: die Herausbildung der "pragmatischen Anlagen", bzw. die Zivilierung seines Charakters. Ihm fehlt just jene "Klugheit", die man auch Intriganz nennen muss, der zufolge er "alle Menschen zu seinen Endzwecken" gebrauchen hätte können. Es ist eine Frage, deren Bewertung wissenschaftlich betrachtet offen bleiben muss. 
Festzustellen ist jedenfalls, dass der Infant sich weigert, im Netz der Intrigen mitzuspielen. Anstatt dem Vater gut zuzureden und seine Gunst durch herrscherisches und unterwürfiges Auftreten zu erlangen, wagt er das offene Gespräch und erntet den offenen, unüberbrückbaren Konflikt. Anstatt sich mit Alba zu versöhnen und ihn als Komplizen zu gewinnen, zeigt er ihm seine Missachtung und schürt somit dessen Argwohn und Feindschaft. Damit gerät er zunehmend in Isolation am Hof. 

Wie ist sein Untergang also zu bewerten? Vieles weist darauf hin, Schiller als Sympatisant mit Don Carlos zu verstehen. Er stirbt, wie Posa, den erhabenen Märtyrertod in einem menschenverachtenden Blutherrschaftssystem, dem er sich offen widersetzt. Andererseits kann man Schillers Drama aber auch so lesen, dass es Karlos wildes, stürmisches und ungebändigtes Auftreten zur Diskussion stellt, indem das Resultat des Dramas doch Karlos Untergang ist. Ich möchte hier nicht entscheiden, die Ambivalenz der Bewertung der "Heldenfigur" soll nur angesprochen werden. 


3. Inszenierung

Insgesamt war die Inszenierung recht düster und atmosphärisch gehalten. Das Bühnenbild war sehr reduziert und abstrahiert. 
Interessant war der Einfall, eine Gefängniswand durch den Raum verlaufen zu lassen. Symbolisch müsste er in jeder Szene so interpretiert werden, wer wann auf welche Art und Weise "Gefangener am Hofe" oder "Gefangener des herrschenden System" war...Einzig andere REquisite war ein Stuhl und zwei Stuhl-Tisch-Elemente, die je nach Verwendung alles darstellen konnten: Stuhl, Tisch, Bank, Bett, etc.  Modernisierend sollte wohl die Installation von drei Überwachungskameras wirken, die die aktuelle Überwachungsstaatsthematik kritisch auf der Bühne etablierte. Dies schien mir konzeptuell nicht so gelungen oder ausgereift, ästhethisch machte es aber einiges her, da die Bilder auf vier den Zuschauern zugewandten Monitoren präsent waren. Einfach gesagt: Es sah super aus. 
Domingo und Alba orientierten sich an Schlange und Löwe. Auch dies gelang den Schauspielern gut. Sehr gut spielte die Königin. Kühl, nüchtern und sprachlich sehr gut. Zu bemängeln ist etwas, dass das Stück in einem Rhythmus durchfloss, bzw. durchjagte. Zweifelsohne, Schillers Dramatik ist eine rasante Dramatik. Aber das Tempo und die rhytmische Eintönigkeit verlangten dem Zuschauer doch einiges ab und es war nicht immer leicht, allen Nuancen der Handlung, Intrigen und Sprache zu folgen (was natürlich auch an Schillers Sprache liegt). 
Ein musikalischer Patzer war dabei. Ein High-Voltage Dub-Step Song passte nun doch gar nicht ins Geschehen. Auch ein Katana in die Welt der spanischen Frühneuzeit einzubringen ist doch fragwürdig. Die Szenenübergangsmusik war dagegen sehr gelungen (Sie ist auch im Trailer zu sehen). 

Fazit: Auch wenn es Laientheater ist, ist es dennoch eine junge, gewagte, spritzige und geladene Aufführung gewesen, der ich gerne gefolgt bin. 



Sonntag, 16. Dezember 2012

Strindberg: Der Vater (Kammerspiele, Mainfrankentheater Würzburg)

Empfehlenswert: Das Stück, die Schauspieler (Einzeln und im Ensemble), die Inszenierung, die Szenographie und die Thematik. 


Baptistin und Amme
Auf der kleinen Bühne des Mainfrankentheaters (Kammerspiele, etwa 80 Ssitzplätze) inszeniert(e) die Schauspielgruppe Strindbergs psychologisches Charaktertrauerspiel "Der Vater" (UA 1887).

Inhalt:
Aus einer banalen Erziehungsfrage entwickelt sich ein heftiger Ehekrieg. Die Frau des intellektuellen, fortschrittlich wissenschaftlich aufgeklärten Rittmeisters und Familienvaters, Laura, eine Schlange, ist nicht zufrieden mit der Idee des Vaters, die gemeinsame Tochter Bertha in die Stadt ziehen zu lassen, auf dass sie dort eine Lehrerausbildung absolviere. 
Sie spinnt also eine Rufmordintrige, bei der sie vor nichts zurückschreckt - Ihr Ziel ist es, den Vater für unmündig erklären zu lassen. Also streut sie zum einen beim Arzt Gerüchte, dass ihr Gemahl geisteskrank sei, zum andern pflanzt sie bei ihrem Gatten den Gedanken ein, dass seine Tochter gar nicht seine eigene, leibliche Tochter sein könnte...
Frei nach dem Motto "alisquid semper restuit" läuft das Ganze zunehmend aus dem Ruder. Der Vater, ein mächtiger (auch gesellschaftlich bedingter) Patriarch, befindet sich in einem Untergangsgemetzel. Er muss sich verteidigen, was ihm Mal um Mal mit Bravour gelingt (ein imposanter Charakter, vorzüglich geschauspielert), bis er aber eben selbst an seiner eigenen Vaterschaft zweifelt.
Ein Drama entpuppt sich zwischen den Polen "die Geister, die ich rief" und "crime does not pay", "sieh, was du angerichtet hast!", während man als Zuschauer noch die psychologische Beschaffenheit der anderen auftauchenden Figuren bestaunen kann (der Pastor, die Amme, der Doktor). Ein Charakterdrama, ein Zukuck-Drama, ein Stück um Macht, Verrat und Ehestreit.

Inszenierung
Die Inszenierung war modern. Alle Charakter müssen sich z.B. durch eine Vagina auf die Bühne quetschen, was das fränkische und durchaus auch alte Publikum aber wohlwollend annahm. "Macht" wurde mit "oben" symbolisiert, also auch mit "erhöht", weswegen es eine hässliche, ungeschmückte Holzrampe auf der Bühne gab,  auf der sich vorwiegend der Vater in seinem Regnum bewegte, bis er untergeht. Ohnmacht mit "unten". 
P.S.S: Ein Gag? Dass der Vater selbst Strindberg ähnlich sieht?
Alle auch farblich markierten Gegenstände auf der spärlichen Bühne sprechen selbst als Symbole mit und nehmen Bezug auf das Geschehen. Verfremdung spielte sowohl beim Bühnenbild als auch im Schauspiel, z.B. bei der Präsentation bestimmter Handlungsskripts, eine große Rolle ( z.B. "Vater-Tochter-Gespräch" auf einer Rampe mit einem albernen neongrün angemaltem Holzpferdchen im Hintergrund). Gernell war alles im rechten Maß gehalten und somit entstand ein recht rundes, angenehmes Stück.

Nochmals Danke für den schönen Abend und wirklich eine Weiterempfehlung. 


P.S: Zwei andere Bühnenbilder desselben Stücks im Vergleich:
















Sonntag, 2. Dezember 2012

"Kein Auskommen mit dem Einkommen" - Laienschauspielgruppe der Dompfarrei Würzburg



Herzhaftes und herzliches burleskes Lachtheater für alle Generationen

Es ist ein starkes Stück: Karten können nicht reserviert werden, wer da ist, ist da und bekommt einen Platz. Es gibt auch keinen Vorverkauf, weil der Eintritt umsonst ist. Um Spende wird gebeten, um die Unkosten zu decken. Was darüber hinausgeht wird gespendet für einen wohltätigen Zweck.


Corry Gerlicher meint dazu: Es ist eine super Sache, das Theater hier: wir tun was für uns, indem wir spielen, wir tun was für das Publikum, indem wir es unterhalten und ein paar Stunden aus dem Traumel der Realität herausziehen und wir tun etwas für die Gesellschaft, indem wir etwas spenden. Mit all dem wäre Brecht zufrieden, alleine die Reproduktion gesellschaftlicher Codes, das Einlullen des Publikums in eine herzhafte Komödie ohne großen aufklärerischen Pathos oder auch nur das geringste Anzeichen eines Verfremdungseffekts, das hätte ihn natürlich maßlos geärgert. Und als großer Brechtfan und Kenner, ärgerte das mein Brechtauge natürlich auch. Aber angesichts soviel netter Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft innerhalb der Gruppe und durch das Projekt an sich, dass sich doch besonders an die älteren Generationen richtet, kann man dieses Brechtauge auch ein wenig zudrücken und einen wirklich schönen Theaterabend genießen. So berichtete Corry auch, das manche Gäste öfters kommen: Diejenigen, die altersbedingt nicht mehr soviel aufnehmen können, würden das Stück gewissermaßen auf zweimal ankucken. Wenn sie den ersten Akt schon kennen, können sie sich auf den zweiten Akt konzetrieren, wenn sie wiederkommen.

Was bleibt dann übrig? Weiterhin ein starkes Stück und vieles zum Lachen, das bekanntlich nach einem chinesischen Sprichwort pro verlachten zehn Minuten das Leben um einen Tag verlängert. 

Zum Inhalt: Das schrullige Rentnerpäarchen "Vadder" und "Mudder" lebt von einer kärglichen Rente in der Zeit des Wirtschaftswunders. Um sich das Einkommen etwas aufzupolieren und weil die Ehe kinderlos verblieb, beschließen die beiden, ein leeres Zimmer in der Wohnung unterzuvermieten. Darüber sind sie sich einig. Doch ob es eine junge Dame werden solle, ganz nach dem Geschmack des Vadders, oder ein junger Herr, wie es die Mudder bevorzugen würde, darin liegt zu Beginn des Stücks der Hase im Pfeffer begraben. Durch einen (un?)glücklichen Zufall ergibt es sich, dass beide das Zimmer gleichzeitig untervermieten: Die Mudder an den Sohn eines großen Fruchtverkaufunternehmens, der aus Protest der Neuheirat seines Vaters eigene Wege bestreiten möchte. Der Vadder dagegen vermietet das Zimmer an eine hübsche junge Sekretärin, die ganz nach seinem Geschmack ist. Zwei Personen in einem Zimmer  - wie kann das gut gehen? Nun Anfangs geht das gut, weil der junge Mann Fernfahrer ist. Er fährt nachts und schläft tagsüber und am Wochenende ist er zuhause. Die junge Dame dagegen arbeitet tagsüber und fährt am Wochenende zu Freunden aufs Land. Also - so der Plan: Wenn die Dame morgens das Haus verlässt, wechselt das Rentnerpäarchen schnell die Bettdecke von rosa zu blau, es gibt zwei Schränke mit eigenen Schlüsseln in dem Zimmer und schließlich wird noch einmal gut durchgelüftet und dann kann der neue Bewohner auch kommen. Das das nicht auf Dauer gut gehen kann ist von Anfang an vorprogrammiert. 
So findet die Dame zum Beispiel nach einiger Zeit einen Manschettenknopf in ihrem Bett, der junge Herr dagegen beklagt sich über einen sehr straken Parfümgeruch. Außerdem tauchen im Laufe des Stückes noch alle Personen in der Wohnung auf, die dort gar nicht auftauchen sollten: die eifersüchtige Frau des Chefs der Sekretärin, der Vater und dessen neue Frau und die Mutter der jungen Dame. Und das natürlich nur "bedingt" hintereinander. Menschen, die sich gerade NICHT sehen und kennenlernen sollten, tummeln sich auf einmal fröhlich und neugierig in der Wohnung. Notlügen werden aus der Nase improvisiert, wobei hier das Spieltalent und der Humor die fehlende Glaubwürdigkeit gutmütig kaschiert. Wie lange die Beine dieser Lügen ist natürlich klar: Bis sich am Ende des Stücks alle Charaktäre auf der Bühne befinden, das Notlügenkonstrukt zusammenbricht, er sie heiratet, der verlorene Sohn zurückkehrt und alle glücklich sind. Dabei weiß der Zuschauer immer mehr, als die Figuren auf der Bühne. Dieses dramatische Wissensgefälle wird in diesem Fall komödienhaft aufgelöst und man wird zum Lachen animiert, nicht zum "Zittern und Schaudern" wie in der griechischen Tragödie, die von der Machart die gleichen Elemente benutzt. Garniert wird das ganze noch mit viel Wortwitz, Wortspielen und zeittypischen Redewendungen, die dem Stück noch einen ganz eigenen muffig-antiquierten, ultrasympathischen Charakter verleihen. 


Die Figuren sind holzschnittartig. Natürlich gibt es die ein oder andere kleine Veränderung: die jungen Generatione, gerade die Männer, müssen in dem Stück z.B. noch viel über die Liebe lernen. So wird gerade soviel gelernt, dass die freudige Schlussauflösung mit Hchzeitsglockengeläute und "Ende gut, alles gut" realisiert werden kann. Auch kann man ein kleines Machtübergewicht der Frauen, der heimlichen Herrscher in diesem noch ausgesprochenen christlich katholischen Patriarchat, kaum übersehen. 
Besonders gut gefallen hat mir der August (Vadder). So naiv und gutherzig er reagiert, so liebdumm, wie er manchmal reagiert, so sehr muss man ihn auch liebgewinnen. Grandios geschauspielert. 
Auch die Mutter überzeugte sehr mit einer sympathischen Bühnenpräsenz.