Sonntag, 6. März 2011



In Schrebers Garten.


Nach einem Roman von Klaas Huizing.
Inszenierung: Bernhard Stengele.
Bühne und Kostüm: Gesine Pitzer.

Mainfrankentheater.
Visionen einer Problemjugend.

Gezeigt wird ein Stück über die Familie Schreber. Der Vater ist Sportler und wahnsinniger Visionär. Der Sohn bekommt die geballte Ladung falscher Erziehung ab. Im Konkurrenzverhältnis mit dem Sohn, in der unbestimmten Beziehung zur Mutter, die selbst nur problemhaft mit der Familiensituation umgehen kann, und im strengen und wahnhaften Verhältnis des Vaters zu den Kindern und der Familie. Sport, Disziplin, Sauberkeit und Exzellenz bestimmen sein Kleingärtnerhirn. Und so zieht er eine krankhafte Saat hoch . Die Mutter kommt noch ganz gut weg bei dem Ganzen, auch der ältere Bruder, Gustav, schafft den Absprung. Übrig bleibt alleine Paul, der zu allem Überfluß auch noch mit einer weiblichen Identität im Männlichen Körper geboren wird.
Und so ist auch das Ganze Stück konzipiert als Entdeckung der beschädigten Psyche Pauls. Zum werden dem Zuschauer Blicke in die Psychosen und in die Alptraumhafte Welt Pauls gewährt, zum andern erlebt man seinen Alltag in der Klinik. Die Sphären sind dabei unausgewogen. Zu den kurzen Momenten des Arztes, und der gesunden Gesprächssituation in der Jetztzeit mischen sich zuerst die Bilder der Vergangenheit in Retrospektiven hinzu. Dann bleiben die Sphären in einem vermischten ineinander und nebeneinander bestehen. Einzig ein dünner durchsichtiger Vorhang trennt von Zeit zu Zeit die Stimmen, die Paul hört vom jetztgeschehen ab. Dieser wird auch manchmal hochgezogen, um darzustellen, wie Paul vollkommen in seine Wahnwelt eindringt.
Doch das einzig dramatisch aufbegehrende Stück flaut ab, und gibt einer Entwicklung Raum und Zeit.

Kommentar

Das Stück überzeugt. Sehr viele gewagte Bilder, Traumphantasien und auch hier im Würzburger Mainfrankentheater hat ein Trend Einzug gefunden, psychoanalytische Themen und Formen auf die Bühne zu bringen. Dass sich ein gewaltiger Fundus an Ausschmückungen durch die Phantasie im Bereich der unbewussten Bewusstseinssphären verbindet, beweist auch diese Aufführung eindrucksvoll. Waren bereits in Paprika und in Inception psychoanalytische, teils psychopathologische, immer aber psychologisch auflösbare Bilderwelten geboten, so macht auch diese Inszenierung sehr viel Gebrauch. Sie liefert tiefe Einblicke in die freudsche Bewusstseinsgrammatik und sie taucht den Pinsel tief in den Farbeimer, dessen Formen schon Dali eindrucksvoll ins Künstlerische übertrug. So befinden sich auf der Bühne z.B als Requisiten Phallussymbole, die wie Sporenpilze oder ähnlich Undefinierbares von der Decke baumeln. Verdrängte Sexualität zeigt sich früh als Leitmotiv durch das Geschehen, und gerade im zweiten Akt werden die Hüllen, die diesbezüglich fallen werden, bereits früh angezeigt durch eine Transparenz der Kleidung im gutbürgerlichen Kontext. Und so überrascht die Entwicklung, die sich aus der Geschichte herausschält, auch nicht wirklich, sie war vorhersebar und geschickt angelegt in den Motiven, die sich von Anfang an auf der Bühne befinden. Und so verwundert es auch nicht, wenn Paul sich schließlich - vollkommen im Wahnsinn, oder vollkommen frei - als Paula selbst entdeckt.
Bis dahin wird dem Zuschauer all der Verdrängungskampf, die selbstquälerisch auferlegte Notwendigkeit den Wunschvorstellungen eine Vaters zu entsprechen, offengelegt. Doch die selbstauferlegte Maske der Männlichkeit führt in den Wahn und nur manchmal blitzen die Momente der Bildungs- und Erziehungsmethoden des Vaters auf und manifestieren sich als krankhafte Konstruktpersönlichkeit, die schemenhaft ein verzerrtes, tragisch-komisches Bild der väterlichen Dominanz vorspiegelt, bis der wahre Kerndes Charakters die Bühnenwirklichkeit erreicht.
Die Meinung: Manche Reduktion hätte dem Stück vielleicht gut getan. Es ist deswegen nicht schlecht, und vermutlich ist das nur meine eigene Meinung und die Vorliebe eines demütigen Verhaltens. . Zur Debatte stünde der Gesang des Hauptdarstellers – und ein paar Provokationsmotive. Aber nun gut, das sind nun wirklich Ansichtssachen.